Auszug aus dem Buch « Le Livre des Imraguen, Pêcheurs du Banc d’Arguin en Mauritanie » von Marie-Laure de Noray-Dardenne, Verlag Buchet et Chastel.
Ein Tag des Fischfangs folgt dem anderen aber trotzdem sind sie immer verschieden. Das ist alles, was Mohamaden zu sagen hat in Anbetracht seiner mageren Ausbeute des heutigen Tages. Das Schiff ist schnell entladen; es gibt nichts, was er für das abendliche Mal nach Hause mitbringen könnte. Nur einige wenige Rochen und ein Dutzend sehr kleiner Haie, die versehentlich ins Netz gegangen sind, das eigentlich gar nicht für sie vorgesehen war. Aber daran ist jetzt sowieso nichts mehr zu ändern. Die Imraguen essen sie nicht selbst und der florierende Handel mit ihnen ist nur mehr eine vage Erinnerung, seitdem ihre Ausbeutung durch das Verbot des Haifischfangs gestoppt wurde. Rochen und Haie sind heute nur noch gut, um sich damit bei den Ghanaern und Maliern einige Ouguiya (Währung in Mauretanien) zu verdienen. Diese Pökeln den Fisch noch am Strand in Salzlake, deren Amoniakgestank anschließend das ganze Dorf verpestet.
Mohamaden und seine Crew sind in den frühen Morgenstunden aufgebrochen, um gute Adlerfische zu fangen. Es ist gerade Saison und der Kapitän war sich ziemlich sicher, dass die von ihm ausgewählte Route in diesen Tagen sehr fischreich sein würde. Heute machte er sich auf den Weg, um die von ihm bereits ausgelegten Netze wieder einzuholen. Man erzählte sich, er sei zu einem weit entfernten aber dennoch vielversprechenden Ort aufgebrochen - man musste mehrere Stunden segeln, bis man das erste Netz erreicht hatte. Angeblich haben die Adlerfische die Einladung der ausgelegten Netze dankend abgelehnt und entschieden, sich lieber woanders niederzulassen; oder ein wenig später…oder vielleicht morgen…oder vielleicht nie.
Eigentlich weiß er es ja: am besten ist es, die Mühe, die man für solch nichtige Resultate aufgebracht hat, möglichst schnell wieder zu vergessen. Das frühe Aufstehen, das Zusammentrommeln der vierköpfigen Mannschaft, die Kontrolle der Netze, die ausgelegt werden sollen, das Bereitstellen von Trinkwasser und Verpflegung. Hat der Schiffsjunge auch genug Tee eingepackt? Hat er daran gedacht, die Minze mitzunehmen? Und der andere, hat er das Radio dabei? Man muss das Boot anschieben, die Segel hissen, navigieren, seine Wegmarkierungen wieder finden, die Netze anderer Fischer vorsichtig umschiffen und dabei die eigenen Netze suchen. Anschließend müssen die Netze eingeholt werden – eine Tätigkeit, die schnelles Reaktionsvermögen, handwerkliches Geschick und exakt aufeinander harmonisch abgestimmte Bewegungsabläufe erfordert. Es beginnt damit, dass man den Anker an einer geeigneten Stelle und im richtigen Moment auswerfen muss. Jeder muss seine Handgriffe auf die der anderen abstimmen und die richtigen Kommandos geben. Das laut gerufene „Hau ruck!“ sorgt für den kollektiven Elan, der einem die Kraft gibt, mehrere Quadratmeter große, mit Wasser vollgesogene Netze, hochzuhieven und auf das Deck des Segelboots zu schleudern. Anstrengung allein reicht jedoch nicht. Genauso wenig, wie Handwerk oder Können. Man braucht auch ein wenig Glück - das „Bakara“. Das ist das Schicksal eines jeden Fischers. Man muss lernen zu akzeptieren, dass es an manchen Tagen einfach so läuft und nicht anders. Dass man heute Abend zwar Fisch essen wird, den ein anderer gefischt hat, aber morgen das ganze Dorf mit seinem eigenen Fisch ernähren wird… inch’allah (arabisch: „So Gott will“).
Aber man lernt auch, die schönen Seiten unserer Arbeit zu schätzen: Die Möwen, die durch den blauen Himmel segeln, die vielen Gläser Tee, die man auf dem offenen Meer gemeinsam genießt. Die Tage in unserem Boot, dessen Bug unermüdlich das Wasser teilt - unter der gleißenden Sonne, deren Hitze durch die frische Meeresbrise angenehm gemildert wird. Immer begleitet vom Gedanken an die Delfine, die man weit draußen durchs Meer schwimmen sieht. Obwohl man sie heute sehr viel seltener sieht als früher, sind sie dem Menschen noch immer ein treuer und freundschaftlicher Begleiter.