Es ist nicht einfach zu beschreiben, wer oder was sich denn eigentlich hinter dem Wort "Imraguen" verbirgt.
Imraguen bedeutet weder den Namen eines Stammes noch steht es für eine bestimmte Sprache. Mit Imraguen wird eine Gruppe von Menschen bezeichnet, deren Lebensstil stark von einer ganz speziellen Art des Fischfangs bestimmt wird. Im "Buch der Imraguen" von Marie-Laure de Noray-Dardenne definieren sich die Imraguen als Teil des fragilen und vielfältigen Ökosystems, das den Nationalpark Banc d’Arguin zu einem einzigartigen Juwel der Natur macht. Ein Imraguen zu sein, bedeutet am Meer zu leben und darin verantwortungsvoll zu fischen, ohne diesen empfindlichen Lebensraum zu schädigen … Die Imraguen sind die Nomaden der See.
Die knapp über eintausend Imraguen sind die Einzigen, denen es erlaubt ist innerhalb des Nationalparks Banc d’Arguin zu wohnen und in seinen fischreichen Gewässern zu fischen. Innerhalb des Parks gibt es neun Dörfer, unter ihnen Iwik, das Heimatdorf von Sidi und ein hervorragender Ort zur Beobachtung des Vogelreichtums der Banc d‘Arguin.
Die Imraguen sind bekannt für eine ganz spezielle, faszinierende Technik des Fischfangs, die von den natürlichen Bedingungen der Banc-d’Arguin inspiriert ist: Während ihrer Wanderung werden die Meeräschen von den Imraguen im Wasser stehend "zu Fuß" gefangen – eine Technik, die sehr viel technisches Geschick erfordert und die Natur schont. Sobald einer der Fischer vom Ufer aus einen vorbeiziehenden Meeräschenschwarm erspäht gehen die anderen Fischer - ausgestattet mit Netzen, die sie auf den Schultern tragen – ins Wasser. Indem sie die Wasseroberfläche mit einem Stock aufwühlen, locken sie Delphine an, die den Fischschwarm einkesseln und so an der Flucht ins offene Meer hindern. Sobald sich die Meeräschen in Strandnähe befinden werden sie von den Fischern eingekreist und anschließend gefangen. Sofort nach dem Fang werden die Fische von den Frauen ausgenommen, gewaschen und anschließend zum Trocknen ausgelegt oder aufgehängt. Alle Teile des Fischs werden verwertet. Besonders geschätzt sind die Rogen der Weibchen, die getrocknet und mild gesalzen zu „Poutargue“ verarbeitet werden. Aus den Fischköpfen und innereien, die in Wasser ausgekocht werden, wird „Dhên“ hergestellt, ein an Spurenelementen und Vitaminen reichhaltiges Öl. In diesen Techniken der Fischverarbeitung manifestiert sich ein einzigartiges jahrhundertealtes Wissen, das von den Müttern an ihre Töchter weitergegeben wird.
Die Ankunft von kanarischen Fischern in der Banc d’Arguin in den 1930er Jahren hat die traditionelle Fischfangmethode der Imraguen um die sog. „Lanche“ ergänzt. Diese nicht-motorisierten Boote mit einem speziellen Segel ermöglichen es den Imraguen auch in den offenen und tieferen Gewässern der Banc d’Arguin zu fischen. Die Lanches sind von der Parkverwaltung kontrolliert und nur in limitierter Anzahl zugelassen. Heute gibt es ca. 100 solche Segelboote, die innerhalb des Parks ausschließlich von den Imraguen genützt werden dürfen.
Leben im Nationalpark Banc d’Arguin bedeutet laut dem "Buch der Imraguen" sich von den Naturgesetzen und den Prinzipien des Naturschutzes leiten lassen. Die Imraguen sind sich ihrer Privilegien als einzige Bewohner und Nutzer des Naturreichtums der Banc d‘Arguin durchaus bewusst und beteiligen sich daher engagiert an der Überwachung der Gewässer des Nationalparks. Eines ihrer wichtigsten Anliegen ist es, die Reichtümer von Banc d’Arguin zu schützen, wodurch den Imraguen innerhalb des Parks eine wichtige Schlüsselrolle zufällt. Diese manifestiert sich u.a. in der Initiierung und Durchführung von verschiedenen Projekten, wie z.B. Sidis Projekt der Vogelwarten.
Die Imraguen sind die Bewohner und Fischer im Nationalpark Banc d’Arguin. Gleichzeitig sind sie seine Wächter und die Garanten seiner Zukunft – Unterstützen wir sie dabei!